Sagen
Der Schmied im Gertrudenberg
KUHN, Adalbert: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen anderen, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands“, Erster Theil. Sagen, Leipzig 1859,S. 62:
„Im Gertrudenberg vor Osnabrück befindet sich eine Höhle, in der sah man sonst noch einen Steintisch und ein paar Steinsitze; hier wohnte vor alters ein Schmied, der war unsichtbar und schmiedete den Leuten der Gegend alles, was sie haben wollten. Sie durften nur auf einen Zettel schreiben, was sie wünschten, dann lag am anderen Tage die Arbeit da, und zugleich stand auf einem Zettel die Angabe des Lohns, welchen der Schmied dafür forderte.“
Das Femegericht in der Gertrudenberger Höhle
DIECKMANN, August: Aus der Sagenwelt. Sagen und sagenhafte Erzählungen in hoch- und niederdeutscher Sprache von Osnabrück und nächster Umgebung. Osnabrück 1900, S. 7 f.:
"Auf der Höhe des Gertrudenberges zu Osnabrück, hart an dere mit Epheu umrankten Klostermauer, senkte sich ein Pfad hinab. Ganz unten sprang eine Felsmasse von gelbem Stein etwas über und ließ lange Waldranken herabfallen. Hier war der Eingang zu dem Berge. Die Sage berichtet davon folgendes: In dem Berge war der Sitzungssaal der heiligen Fem eingerichtet. Die zur Fem Geladenen kamen verkappt zu dieser Stelle. Die Wache redete sie an: „Was sucht Ihr hier bei Nacht? Ohn Wort kein Einlaß, Thür und Riegel sind gut bewacht.“ Die Antwort lautete: „Ick grüet Ju, leve Mann! Wat fangt Se hie an?“ Dann sprach der Wachende: „Allet Glück kehre in, wo de freyen Scheppen syn.“ Dann sagten sie zusammen: „Strick, Stein, Gras grein, de hemlike Fem!“ Nun wurde die Thür geöffnet. Durch eine niedrige, enge, ganz durch Waldranken verdeckte Thür kam man in einen dunklen, unterirdischen Gang. Durch weite Windungen zog sich derselbe aber immer schmal und eng, so daß nur ein Mann darin und nicht einmal aufrecht gehen konnte, bis unter die Klostermauern her. Ungefähr unter dem Hochaltar der Klosterkirche St. Gertrudis war eine Eisenpforte. Neben derselben lag ein schwerer Holzhammer. Die zur Fem Geladenen schlugen dreimal an die Thür, und nach Abgabe eines Erkennungszeichens wurden sie eingelassen. Nun kam ein weiterer, aber sehr niedriger Steinsaal, hier und da durch Felssäulen getragen. In der Mitte stand ein Steintisch, auf demselben lag eine Pergamentrolle mit vielen großen Wachssiegeln, darüber waren drei große Schwerter gekreuzt und auf diesen stand ein Totenkopf. Um den Tisch reihten sich steinerne Sitze. Hier um diesen Tisch wurden um Mitternacht die Femgerichte abgehalten."
Ein schwarzer Hund entsteigt der Höhle um Mitternacht
FRIEDRICHS, Gustav: Sagen vom Gertrudenberg und dem Gertrudenberger Loch. In: Osnabrücker Tageblatt, Osnabrück 23.10.1926.
"Zur Neumondzeit, wenn kein Mond scheint und tiefe Finsternis das Erdreich deckt, dann kommt aus der Gertrudenberger Höhle ein Hund von gewaltiger Größe, der tellergroße glühende Augen hat, und geht in der Geisterstunde an der Waakhegge spazieren. Viele Leute haben ihn da gesehen."
Waldmenschen haben in der Gertrudenberger Höhle gewohnt
FRIEDRICHS, Gustav: Sagen vom Gertrudenberg und dem Gertrudenberger Loch. In: Osnabrücker Tageblatt, Osnabrück 23.10.1926.
„In alten Zeiten waren die Gertrudenberger Höhle, die Meesenburghöhle und andere Höhlen von wilden Waldmenschen gewohnt. Sie waren tapfer, aber auch grausam. Der stärkste und listigste war ihr König. Sie machten Streifzüge in die fernsten Gegenden, erschlugen Männer und raubten Frauen, Kinder und Vieh. Auf ihren Altären opferten sie ihren Göttern und Dämonen Menschen und Vieh. Sie waren der Schrecken der Völker, die alle ihnen untertan waren.
Aber eines Tages kam ein fremdes Volk aus unbekannter Ferne, niemand kannte es, niemand hatte je von ihnen gehört, und dies Volk war ein Volk von Riesen, stärker und listiger als die Waldmenschen. Es kämpfte gegen die wilden Waldmenschen, schlug und vernichtete sie und warf Brände in ihre Höhlen, sodaß sie erstickten. Der Rest aber, der sich retten konnte, entfloh ins Gebirge und ward nie mehr gesehen.
Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß unsere Sage von drei verschiedenen Völkerschaften berichtet, die nacheinander unsere Gegend bewohnt haben. Unter den Riesen bergen sich wohl die hochgewachsenen Germanen des Tacitus.“
In der Gertrudenberger Höhle spukt es
ZEISKE, Hans: Die Höhlen im Gertrudenberge. In: Neue Volksblätter, Osnabrück, 19.09.1935.
"Wenn früher Leute in die Höhle gingen und dabei ein Knäuel Bindfaden abwickelten, um auf diese Weise den Eingang wiederzufinden, mußten sie oft die Wahrnehmung machen, daß ein Kobold die Schnur an mehreren Stellen zerschnitten hatte. Auch kam es vor, daß von unsichtbaren Gestalten die brennenden Kerzen plötzlich verlöscht wurden. Nach solchem Schabernack ertönte dann oft ein lautes, widerliches Hohngelächter aus dem geheimnisvollen Dunkel der Höhle. Es wird auch erzählt von Irrlichtern, die den Besucher immer an Orte entgegengesetzt dem Eingange lockten. Weilte aber jemand in der Nachtzeit in den Höhlen, dann konnte er erleben, daß ein Poltern, Krachen und Knacken anhub, als wolle die ganze Höhle zusammenbrechen; dann huschten graue Schatten an den Wänden entlang mit unheimlicher Lautlosigkeit, ein Beben und Zittern ging durch den Berg, und der Besucher stürzte entsetzt dem Ausgange zu.“
Auch, dass ein Fluchtgang für Nonnen vom Gertrudenberger Kloster bis zum Dom führte, muss in die Welt der Sagen verlegt werden.